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Tote des 17. Juni 1953
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Vermeindliche und ungeklärte Todesfälle: Bezirk Magdeburg

Ein Überläufer der Sowjetarmee hatte berichtet, dass am 28. Juni 1953 im Sommerlager des 73. Schützenregiments im Gebiet Biederitz bei Magdeburg auf einer Waldlichtung 18 sowjetische Soldaten liquidiert worden seien. (1) Das Regiment hätte sich am 17. Juni angeblich geweigert, auf ostdeutsche Demonstranten zu feuern. Jeder 25. Mann dieses Regiments habe den Ungehorsam mit dem Leben bezahlen müssen. Die russische Exilorganisation NTS trug diesen Bericht weiter, der so in zahlreichen Reden und Artikeln zum Volksaufstand immer wieder auftauchte. Auch auf einem Gedenkstein für den 17. Juni 1953 in Berlin-Zehlendorf wird der sowjetischen Helden gedacht: "Den russischen Offizieren und Soldaten, die sterben mussten, weil sie sich weigerten, auf die Freiheitskämpfer des 17. Juni zu schießen."

Allerdings mehren sich inzwischen die Zweifel an der Heldengeschichte. Der Überläufer Ronschin war am 17. Juni 1953 längst in den Westen geflüchtet, konnte also nicht aus eigener Anschauung berichten. Und das 73. Schützenregiment befand sich damals nicht mehr in der DDR; nach Recherchen des Berliner Historikers Matthias Uhl wurde es bereits 1946 aufgelöst. Für den Militärhistoriker Torsten Diedrich überwiegen mittlerweile die Indizien dafür, die Erschießung "in das Reich der Legende" zu verbannen: "Eine Verweigerung in dieser Größenordnung, die Einschaltung eines Militärtribunals, all das hätte bei der strengen Hierarchie in den sowjetischen Streitkräften sofortige Meldungen erfordert. Sie finden sich nicht in den regionalen Berichten der Militärkommandanturen und auch nicht in den telegraphischen Meldungen des Oberkommandierenden der Besatzungstruppen an den Moskauer Generalstab." (2) Die standrechtlichen Erschießungen von deutschen Demonstranten dagegen werden in diesen Berichten gemeldet. Dass überhaupt ein Sowjetsoldat in Biederitz erschossen worden sein soll, konnte die für Rehabilitierungen zuständige russische Militärstaatsanwaltschaft bis heute nicht bestätigen. Moskauer Quellenforschungen der Birthler-Behörde blieben erfolglos. 1994 und 1996 entdeckten Bauarbeiter auf ehemaligem russischen Militärgelände in Magdeburg zwei Massengräber junger Männer. Doch auch dieser Fund ist keine Bestätigung, denn weder das Todesjahr noch die Identität der Leichen ist genau zuzuordnen.

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1 Zum Ausgangspunkt aller diesbezüglichen Darstellungen siehe: Telegraf, 2.7.1953 ("18 Sowjetsoldaten füsiliert. Sie machten nicht von derWaffe Gebrauch"), sowie: Hildebrandt, Der 17. Juni, S. 217.
2 Diedrich, Waffen gegen das Volk, S. 171; siehe auch: Kowalczuk/Wolle, Roter Stern über Deutschland, S. 178; Klaus Wiegrefe, Helden im Zwielicht, in: Der Spiegel Nr. 20/2003, S. 64.


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